Das KloHäuschen
veröffentlicht in im Bilde, Zeitschrift des BBK, Landesverband Bayern e.V., Ausgabe 4/11
 
"Ich hab eine Einladung, hier bei den ‚Ungewohnten Ausstellungsorten' dabei zu sein. Schreibst Du ein Portrait über mich?" Wenn ein altes Klohäuschen (eines mit vanillegelben Kacheln) einen so was fragt, wer könnte da nein sagen!
 

 
Wobei, ich möchte schon ehrlich bleiben und gleich am Anfang darauf hinweisen, dass das KloHäuschen eigentlich gar kein "Ausstellungsraum" ist. Warum? Na, weil in einem Ausstellungsraum Ausstellungen gemacht werden. Weil es Zweck und Nutzen eines Ausstellungsraums ist, daß in ihm Ausstellungen gemacht werden, also Dinge - oder auch anderes - ausgestellt werden. Das ist doch klar.
 
Das KloHäuschen jedoch muß keinem Zweck genügen, muß keinen Nutzen bringen. Es wird nicht dazu "genutzt", daß in ihm Dinge - oder anderes - "ausgestellt" werden. Denn das KloHäuschen ist es selber. Es ist ein altes Klohäuschen, das eben so übrig war. Genauer: das Herrenpissoir im Klohäuschen am Westeingang der Großmarkthalle München. Und seit Anfang 2009 ist es ein profanierter Raum. Mit der "Profanierung", hier in Form der "Maßnahmen zur Beseelung des Klohäuschens an der Großmarkthalle", nimmt das realitaetsbüro den Raum wieder in Gebrauch und lädt ein, ihn in seiner natürlichen Schönheit zu sehen. Ihn zu berühren, mit ihm zu spielen. Und seitdem ist das KloHäuschen sozusagen ein Klohäuschen in Rente. Ein Klohäuschen, das frei ist, seine Möglichkeiten zu erkunden. Und es ist zufrieden damit.
 
Aber das KloHäuschen hat Gäste, das ist schon richtig. Und meist sind diese Gäste Künstler und Kulturschaffende, Architekten, Performer, Philosophen, Wissenschaftler - auch das stimmt. Denn das In Gebrauch Nehmen impliziert natürlich, daß jemand Lust hat, mit dem Raum was zusammen zu machen. Seine Schönheit zu erkennen, ihn sichtbar zu machen, zusammen mit ihm sichtbar zu werden. Und deshalb lädt das realitaetsbüro Leute ein, von denen es sich vorstellen kann, dass sie sich mit dem Erkennen und Sichtbarmachen von Räumen auskennen, dass sie einen interessanten Aspekt zur "Beseelung" beitragen können. Es lädt sie ein, mit dem KloHäuschen zusammen zu arbeiten, seinen Raum zu erkunden und immer wieder neue Formen mit ihm zu entdecken. Und da es gerade nicht um "Ausstellung" oder "Aufführung" geht, bekommt auch der ein oder andere Lust, mal wieder was ganz anderes zu machen, die bekannten Pfade kurz zu verlassen, sich deren weitere Umgebung anzuschauen.
 
Da findet der Bulgarische Pavillon endlich eine Bleibe auf seinem langen Weg nach Venedig. Oder ein etablierter Photokünstler lädt mal nicht zu Photos, sondern mitten im Juni mit den Weihnachtsbäumen vom letzten Jahr zur "Halbzeit". Küchenschwämme machen Überschwämmung bis man nicht mehr reinkommt. Und "Die Große Befreiung" entlädt ihre elektrische Spannung in Blitzen und nach kryptischem Entladungsplan. Da zieht ein Münchener Theatermacher mit Sack und Pack zum Wohnen ein. Oder das KloHäuschen ist für einen Abend "Naherholungsgebiet". Und wie im Zoo meist unsichtbar, doch laut schnarchend, schläft ein Faultier seinen Winterschlaf. ...
 

 
Wetterfest müssen sie alle sein, die Gäste, wie die Besucher. Denn der Innen-Raum ist klein und meist bleiben die Besucher draußen, wenn das KloHäuschen mal wieder einen seiner Gäste willkommen heißt. Da sind Schirme und auch warme Schuhe gefragt. Oder die Feuertonne, wenn das KloHäuschen im Februar Geburtstag feiert. So wie 2011, als das "KloHäuschen WinterPerformanceFestival" Newcomer und Alte Hasen der Münchner Kulturlandschaft in einem großen Fest vereint.
 
Und wie seine Gäste aus verschiedenen Ecken kommen, so ist auch das KloHäuschen nicht ausschließlich. Über seine Abflußlöcher verbunden mit der Erde hat es selber Lust, sich mit anderen Orten zu verbinden, hat schon mit unterschiedlichen Räumen, wie den Denkmälern und den Münchener Offspaces zusammen gearbeitet, oder gar als Satellit an einem München-Istanbul-Austausch teilgenommen. Es schaut sich die anderen Formen an, es findet Gemeinsamkeiten und erkennt darin auch seine Unterschiedlichkeit. Und vielleicht macht es ja dann auch mal eine richtige "Ausstellung". Vielleicht zum nächsten Geburtstag? Das wär doch mal eine Erfahrung wert!
 
München im Oktober 2011
 
 
NB, 2022:
Inzwischen hat das KloHäuschen wirklich eine richtige "Ausstellung": seit 2012 richtet es seine eigene Biennale aus. Zu diesem Anlaß macht es sich wirklich zum Ausstellungsraum und reflektiert dabei auch regelmäßig, was es heißt, ein solcher zu sein. Gleichzeitig bestätigt es damit seinen Status als souveräner Raum, denn: "Wenn man seine eigene Biennale hat, ist man jemand wie Venedig oder Istanbul. Das weiß doch jeder."
Mehr Infos auf www.KH-Biennale.world.
 
 
 
  Maßnahmen zur Beseelung des Klohäuschens an der Großmarkthalle
Ein Projekt des realitaetsbüros, gefördert vom Kulturreferat der LH München.
 
 
   
 
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